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Die Anbindung der Region Jura an das Strassenverkehrsnetz

Die Zeit der Ingenieure
Im 18. Jh. erlebte das Transportwesen in Europa parallel zur Industrie, dem Bankwesen und der Kartografie einen grossen Entwicklungsschub. Aufbauend auf dem Modell des französischen und bernischen Merkantilismus, versuchten die Bischöfe von Basel sich eines Teils des Transit-Güterverkehrs zwischen Elsass und Mittelland über den Hauenstein zu bemächtigen.

Fürstbischof Johann Konrad von Reinach-Hirzbach (reg. 1705-1737) initiierte ein breites Strassenbauprogramm. In einer ersten Etappe wurde zwischen 1716 und 1722 das bestehende Netz, insbesondere der Abschnitt Delsberg-Basel, wieder instandgesetzt. Die weiteren Etappen wurden 1726 durch eine Reihe von Erlassen angeordnet und zeugten von einer starken Zentralisation des Staates. Die zentralistischen Bestrebungen stiessen jedoch auf Widerstand im Volk (Landestroublen), was die Umsetzung der Strassenbauvorhaben hinauszögerte. Sie wurden erst in den Regierungszeiten von Jakob Sigismund von Reinach-Steinbrunn (1737-1743) und Josef Willhelm Rick von Baldenstein (1744-1762) wieder aufgenommen. In den Jahren 1740-1745 wurde die Strasse von Pruntrut nach Biel über Bellelay restauriert und 1746-1752 die Route Delsberg-Tavannes über die Klusen von Moutier und Court erstmals für den Reise- und Güterverkehr eröffnet. Durch diese neue Möglichkeit konnte der beschwerliche Aufstieg von Glovelier nach Lajoux umgangen werden und die Route verdrängte bald die West-Variante und wurde sehr beliebt. Eine Senkung der Wegzölle machte diese Route zur preisgünstigsten Verbindung von Belfort und Basel ins Mittelland. Insbesondere der Salz- und Metallhandel nutzte diesen neuen Weg. Die Strasse von Basel nach Biel erfreute sich zudem grosser Beliebtheit bei europäischen Touristen. Um 1780 benötigte man mit der Kutsche rund 13 Stunden von Pruntrut nach Basel.
Gleichzeitig mit dem Bau dieser Routen richtete der Bischof auch ein Unterhaltssystem ein, das Nebenrouten (die hier nicht behandelt werden) ebenfalls mit einschloss. Die anliegenden Gemeinden wurden zweimal pro Jahr zum Frondienst für die Reparatur der Strassen verpflichtet. Die Strassenbauarbeiten fanden unter Aufsicht eines neuen Berufsstands statt: des Ingenieurs. Zur emblematischen Hauptfigur dieser Arbeiten wurde der Elsässer François Decker (1691–1776), der von 1744 bis 1763 als Brücken- und Strassenbaudirektor amtierte. Auf ihn folgte Pierre-François Paris aus Besançon (1721– ca. 1800).
Auf Berner Staatsgebiet entwarf der Strasseninspektor Friedrich Gabriel Zehender (1696–1741) 1740 ein Restaurationsprogramm für das Strassennetz. Die Umsetzung ab 1742 erschloss die Murten-Solothurn-Aargau-Linie für den Handelsverkehr, entlastete Bern durch eine neue Achse Murten-Bern-Aargau und stellte durch Verbindungen in Richtung Freiburg i.Ü. und Solothurn ein sternförmiges Netz um Bern fertig. Die Nord-Süd-Achse erhielt Anschluss an die von den Fürstbischöfen restaurierte transjurassische Strasse: Die Verbindung Biel-Bern-Thun-Gemmipass/Lötschenpass wurde restauriert und bis nach Kandersteg wegbar gemacht, mit dem Ziel, die Simplon-Route zu fördern. Doch das Wallis liess diese Absichten nicht geschehen. Um 1770 hatte das Berner Strassennetz modellhaften Charakter.

19. und 20. Jh.: Utopie, Eisenbahn und Autobahn
Die territoriale Umstrukturierung von 1815 stiess die regionale Ordnung um. Als neuer Teil des Kantons Bern konnte der Jura keine unabhängige Verkehrspolitik mehr betreiben. Für Bern, das mit dieser Gebietsänderung für den Verlust der Waadt und des Aargaus entschädigt wurde, bekam die Frage der Nord-Süd-Verbindung neue Aktualität.
In den 1830er Jahren setzte sich der Bieler Ingenieur mit Wohnsitz in Delsberg, Jean-Amédée Watt (1775–1834), stark für eine grosse Handelsstrasse von Belfort und Basel bis zum Simplon ein. Das Projekt sah den Bau von Kanälen (Belfort-Pruntrut, Bern-Thun) und Tunneln (Les Rangiers, Pierre-Pertuis, Gemmipass) vor sowie eine zusätzliche Strasse zwischen Moutier und Oensingen. Das Projekt wurde auch realisiert, jedoch erst als Eisenbahnverbindung anfangs des 20. Jh. Überhaupt verlagerte sich der verkehrspolitische Fokus des Kantons Bern im 19. Jh. stark in Richtung Schiene. Auf regionaler Ebene wurden immerhin die Routen Biel-La Neuveville (1835-1838), Schlucht von Pichoux (1834–1835) und Soyhières–Moulin-Neuf (1852) ausgebaut.
1960 beschloss die Eidgenossenschaft den Bau eines Nationalstrassennetzes. Die Anbindung des Jura an dieses Netz durch die A16 war das Resultat eines langen Prozesses mit grosser Mobilisierung und Stellung von Forderungen auf regionaler Ebene, sowohl gegenüber Bern wie auch der Eidgenossenschaft und auch gegen die eigene Opposition. Nach einer öffentlichen Debatte, die sich um Themen des Umweltschutzes und der Routenführung drehte, stimmten die Bürgerinnen und Bürger des neuen Kantons Jura 1982 bei einer kantonalen Initiative mit 71% für den Bau der Autobahn. 1987 lancierten die grossen Schweizer Umweltschutzverbände (Verkehrs-Club der Schweiz, WWF, Pro Natura) eine zweite Initiative auf nationaler Ebene (sog. Kleeblatt-Initiative), welche die A16 zusammen mit drei anderen Autobahnabschnitten (Murten-Yverdon, Biel-Solothurn und im Kanton Zürich) bekämpfte. 1991 wurde die Initiative zurückgezogen.
Der Verlauf der A16 wurde lange diskutiert, insbesondere die Varianten Boncourt-Delsberg oder Basel-Delsberg und Moutier-Biel oder Moutier-Oensingen. Letztere Variante wurde von der Verfassunggebenden Versammlung des Kantons Jura 1977 einstimmig mit 8 Enthaltungen beschlossen. Gleichzeitig wurden in Bern separate Verbindungen für Moutier–Tavannes–Sonceboz–Biel geplant.
Der endgültige Verlauf der Autobahn, deren Eröffnung für 2016 vorgesehen ist, nimmt erstmals seit der Römerzeit die Nord-Süd-Verbindung, die im 18. Jh. durch die Birs-Klusen umgangen worden war, über die Burgunder Pforte - Biel / Mittelland wieder auf. Die Vorrangstellung der Autobahn ist ein Schlüsselmerkmal der regionalen Verkehrspolitik. Die Achse Delsberg-Basel kommt nur an zweiter Stelle. Die topografischen Umstände dieser Route sind viel einfacher und sie ist vor allem lokal gesehen wichtig: Der Hauenstein stellt ja die natürliche Verbindung zwischen dem Rheinknie und dem Mittelland dar. Schliesslich sei an dieser Stelle noch ein Hinweis auf die Schwäche der Strassenverbindungen nach Neuenburg erlaubt. Sie werden hier nicht eingehend behandelt, dennoch gibt es sie: über die Freiberge und das Tal von Saint-Imier.



Clément Crevoisier, 25/08/2015
Übersetzung: Kiki Lutz, 18/09/2015

Bibliografie

Atlas de l’aménagement, canton de Berne. Troisième livraison : bases historiques de l’aménagement, Bern: Office cantonal du plan d’aménagement, 1973
Clément Crevoisier, Le factotum des princes, Pierre-François Paris, Lizentiatsarbeit, Universität Lausanne, 2001
Dictionnaire historique de la Suisse : www.dhs.ch
Inventaire des voies de communication historiques de la Suisse : www.ivs.admin.ch
François Kohler, Le réseau routier jurassien et la Transjurane, Approche historique, Delsberg : A16 info, 2005
Rolf Peter Tanner, Geopolitische Dynamik und Verkehr im Fürstbistum Basel von der Antike bis zum Eisenbahnbau, Bern : Geographica Bernensia, 2007