Boillat SA
In der Folge unterzog sich die Swissmetal einem rigorosen Restrukturierungsprogramm mit dem Ziel, die Situation der Gruppe zu sichern. Es wurden Massnahmen der Zentralisierung und Zusammenlegungen durchgeführt: Refinanzierung, Neustrukturierung der operativen Ebene, Einführung eines einheitlichen SAP-Systems, Zusammenführung der Leitungsfunktionen, Konzentration der Verkaufsstelle auf den Standort Olten, Abschaffung der firmeneigenen Sanitätsstelle, Streichung verschiedener Hilfsprogramme. Diese Reformen wurden in Reconvilier mit Skepsis aufgenommen. Die B. fürchtete um ihre Unabhängigkeit innerhalb der Gruppe. 2004 führte dann die Entlassung des Direktors André Willemin endgültig zum Eklat und damit zum ersten Streik in der Fabrik von Reconvilier. Er dauerte vom 16. bis zum 25. November 2004.
Bereits im Laufe des nächsten Jahres kam es zu neuen Protesten in Reconvilier. Ein neuer Investitionsplan, die Absicht, die Giesserei nach Dornach zu verlegen und die Ernennung von Henri Bols zum Direktor der beiden Standorte Dornach und Reconvilier – was dem Übereinkommen vom 25. November 2004 widersprach – gossen neues Öl ins Feuer. Im November 2005 stellten sich Interessensvertreter/innen aus der Region, Lokalpolitiker/innen und die Gewerkschaft UNIA sowie ehemalige Kader der Fabrik B. gegen die Strategie der Zusammenlegungen innerhalb der Swissmetal. Nachdem die Verhandlungen zu keinem Ergebnis geführt hatten und dann auch noch die geplante Entlassung von 14 Mitarbeitern/-innen in Reconvilier bekannt wurde, kam es am 25. Januar 2006 erneut zum Streik. Diesmal dauerte er bis zum 23. Februar 2006. Trotz Vermittlungsversuchen seitens des Vorstehers des Volkwirtschaftsdepartements, Bundesrat Joseph Deiss, und der Ernennung von Rolf Bloch zum Mediator am 9. Februar 2006 (am selben Tag kündigte Swissmetal den Rückkauf der Firma Busch-Jaeger an), kam es zu keiner Lösung des Konfliktes. Am 23. Februar 2006 sahen sich die Arbeiter/innen gezwungen, für ein Ende der Arbeitsniederlegung zu stimmen. Wenig später, am 27. Februar 2006, wurden Verhandlungen zwischen den Arbeitnehmern/-innen, der UNIA und der Swissmetal aufgenommen. Die Wiederaufnahme der Arbeit konnte trotzdem erst am 2. März 2006 erfolgen, und zwar unter erschwerten Bedingungen. Unter anderem war die Sicherheit nicht gewährleistet, einige Maschinen fielen aus und das Informatiksystem war blockiert.
In der Folge wurde nichts unternommen, um die Wiederaufnahme einer normalen Produktion in Reconvilier zu ermöglichen. Es gab nicht genug Rohmaterial, einige Produktionsschritte wurden nach Dornach verlegt und das ISO-Zertifikat wurde erst im März 2007 mit sechs Monaten Verspätung erneuert. Im Juni 2006 strich Swissmetal 81 Stellen mit der Begründung, durch den Streik finanzielle Verluste erlitten zu haben.
Die Verhandlungen wurden fortgesetzt, doch Swissmetal weigerte sich, die Fabrik in Reconvilier zu verkaufen.
Die Solidaritätswelle zugunsten der Arbeiter/innen von B. war für Schweizer Verhältnisse beispiellos. Die Streikkasse der UNIA Transjurane und der Solidaritätsfonds der Gemeinde Reconvilier sammelten mehr als 1 Mio. CHF. Die Angestellten genossen zudem breite Unterstützung in der Bevölkerung, es wurden täglich Kundgebungen abgehalten – die grösste davon mit 10'000 Teilnehmern/-innen im Februar 2006 –, in der Fabrik wurden von den Geschäften des Dorfes Mahlzeiten angeboten, usw. Auch das Internet spielte bei der Unterstützung der Boillat-Angestellten eine wichtige Rolle. Es wurden 2 Protest-Sites eingerichtet: der Blog von Karl «Une voix pour la Boillat» (www.laboillat.blogspot.com), der 2006 die «Goldene Maus» in der Kategorie Politik erhielt, und «Boillat vivra!» (www.boillat.org). 2006 erhielten die Streikenden den Kulturpreis der Société jurassienne d'Emulation (SJE).
Ende 2007 wurden die beiden Metallpressen in Reconvilier stillgelegt und 2008 eine neue Strangpresse in Dornach in Betrieb genommen.
Am 21. Januar 2008 gab das Unternehmen die Ernennung von Natanael Dewobroto als neuen Direktor des Standorts Reconvilier bekannt. In den vier turbulenten vorangehenden Jahren hatte es mehrere Direktoren gegeben: Albert Gaide, Patrick Rebstein und Henri Bols.
Im Mai 2008 gab Swissmetal für das erste Trimester desselben Jahres einen Umsatzrückgang von 21% bekannt.
Emma Chatelain, 6/06/2008
Übersetzung: Kiki Lutz, 23/02/2017
Bibliografie
Henri-Louis Favre und Alice Heinzelmann, Fonderie Boillat SA, 1855-1955, Reconvilier, 1955Alain Cortat, « Les fabricants de câbles helvétiques et les cartes suisses et internationaux : du contrôle des marchés à la gestion de l’innovation », in Les systèmes productifs dans l’Arc jurassien, Presses Universitaires de Franche-Comté, 2004, S. 86-105
Pierre Noverraz (Hg.), Quand « la Boillat » était en grève, 2005
Patrick Rérat, « Une grève sur la Toile », EspacesTemps.net, Mensuelles, 18.03.2007 http://espacestemps.net/document2201.html http://jb.zonez.ch/ (7.5.2008)
www.swissmetal.com/fr.html (7.5.2008)
www.laboillat.blogspot.com/ (27.5.2008)
Suchverlauf
Bohrer, Johann-Joseph (1826-1902)
Kapellen, Gebetshäuser und Grotten