Steinhauerei im Laufental

Industrialisierung
Neben der Steinindustrie, die weiterhin durch Handarbeit betrieben wurde, entwickelten sich im Laufental ab 1872 Fabriken des verwandten Zement-Gewerbes, das Rohstoffe aus den Brüchen und aus den Abräumgruben verwertete (Cement- und Kalkwerk in Liesberg 1872; Cementfabrik Dittingen 1892; Portlandcementfabrik Laufen 1895). Steinhauer- und Zementindustrie stiegen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zu den wichtigsten Erwerbszweigen der Laufentaler Wirtschaft auf.

Krise
Granit aus den Alpen und Kunststein wie Zement und Beton verdrängten nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend den weicheren, bzw. in der Herstellung teureren Kalkstein vom Markt. 1905-1929 erfolgte schweizweit ein Rückgang der in der Steinindustrie Beschäftigten um mehr als die Hälfte. Viele Arbeitskräfte wanderten in die Tonwaren-, Zement- und Papierfabriken im Laufental ab. Zahlreiche Steingruben wurden geschlossen, vergessen und überwuchert. Ab 1930 wurde in den verbleibenden Steinbrüchen zögerlich auf maschinelle Arbeit mit Kompressorenanlagen und Drahtsägemaschinen umgestellt. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich die Mechanisierung gänzlich durch, bis auf die gestalterischen Arbeitsvorgänge, die bis heute manuell ausgeführt werden. Die Blütezeit des Laufener Steins als Baustoff war vorüber, wer sich im harten Konkurrenzkampf behaupten wollte, musste Spezialitäten herstellen, z.B. Rohstein für Bildhauerarbeiten, Grabsteine, Brunnen, Abdeckungen und Fassadenverkleidungen.

Arbeitsbedingungen und Berufsbild
Während in den Städten der Berufsstand der Steinmetze bereits im Mittelalter in Zünften mit festen Ordnungen und Ritualen organisiert war, entstanden im ländlichen Laufental erst ab den 1870er Jahren hierarchisch organisierte Berufsbilder: Meister, Polier, Steinhauer und Hilfsarbeiter. Letztere stammten meist aus dem Ausland (Elsass, Süddeutschland und Italien). Eine offizielle Ausbildung gab es erst ab 1906 nach der Einführung der dreijährigen eidg. Steinhauerlehre.
Die bis spät ins 20. Jh. manuell ausgeführte Steinbrecherei war Schwerstarbeit bei Wind und Wetter. Zudem erfolgte der Abtransport bis in die 1930er Jahre mit Menschenkraft und Pferdefuhrwerken. Bis kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurde im Akkord gearbeitet. Organisiert im 1874 gegründeten Schweizerischen Steinhauer-Fachverband, im Christlichen Holz- und Bauarbeiterverband und in Gewerkschaften protestierten auch Laufentaler Steinarbeiter unter der Parole "Akkord ist Mord!" gegen diesen Umstand. 1937 erreichten sie einen Gesamtarbeitsvertrag mit Stundenlohnsystem. Die Arbeit im Steinbruch blieb hart und gefährlich, was zu einem hohen Alkoholkonsum unter den Arbeitern führte. So standen die Steinhauer seit dem 19. Jh. im Ruf, starke Trinker zu sein, die besonders dem Schnaps als effizientem Energiespender zusprachen. Beim Blauen Kreuz stand das Laufental deshalb sogar als besonders "heimgesuchte Gegend" in Verruf. Verlässliche Belege für diese Laufentaler "Besonderheit" gibt es allerdings keine.
Nach der Spezialisierung und der Mechanisierung nach dem Zweiten Weltkrieg arbeiten bis heute entsprechend gut ausgebildete und erfahrene Arbeitskräfte meist in kleinen und mittleren Stein-Betrieben im Laufental, darunter auch Frauen. Die Laufentaler Steinhauerei ist heute ein traditionsgebundenes, aber mit modernen Mitteln betriebenes Handwerk.

Prägende Wirkung

Die Steinhauerei verhalf den Gemeinden im Laufental im 19. Jh. nicht nur zu Wachstum und Reichtum und prägte bis heute bestehende Dorfbilder, sondern führte durch Steinabbau und Aufhäufung von Abräum auch zu grösseren Landschaftsveränderungen. Auch die Bauwerke sind bestehende Zeugnisse bis weit über die Talschaft hinaus, so z.B. der Völkerbundpalast von 1936 in Genf, der Bahnhof SBB in Basel und Teile der Eingangshalle im Bundeshaus. Laufener Stein wurde als Baustoff bis nach Amerika exportiert.
Die Steinhauerei konnte als Grossgewerbe in der ländlichen Gegend Fuss fassen und eröffnete so den Weg für die Industrialisierung des Laufentals. Sie spielte eine Pionier-Rolle beim Wandel von einer bäuerlich geprägten zu einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, von einem Auswandererland zu einem Wirtschaftsstandort mit starker Anziehungskraft.
In Literatur und Gesprächen wird sie bis heute als mit der Geschichte des Laufentals am engsten verbundenes Handwerk genannt. 1993 widmete das Museum Laufental der Steinhauerei eine erfolgreiche Sonderausstellung. Im späteren 20. Jh. suchten viele Künstlerinnen und Künstler die Nähe zu den alten Steinbrüchen und siedelten ihre Wohn- und Atelierräume dort an, so etwa Alfred und Jacqueline Gruber, 'en'k Pražák oder Owsky Kobalt.


 


 


Heute bestehende Laufentaler Steinhauer-Betriebe und Ateliers:
René Müller AG, Laufen


Thomann AG, Liesberg


Bildhauerei & Steinwerk Weber AG, Röschenz


Roland Schmidlin, Stein- und Bildhaueratelier, Dittingen


Alban Imhof, Stein- und Bildhaueratelier, Laufen


Peter Schmidlin, Steinmetzbetrieb, Dittingen


Bruno Wildhaber, Grabsteine und Figuren, Dittingen


CS Natursteine, Laufen


Gottwald, Stein und Bronze, Duggingen


Karl Tschudin AG, Liesberg


Newroc AG, Laufen


Staudt AG, Zwingen


Trovanti.ch Natursteinagentur, Laufen

Kiki Lutz, 27/02/2012
Letzte Aktualisierung: 30/01/2013

Bibliografie

J. Cueni, «Von der Steinhauerei im Laufental», in Les intérêts économiques du Jura Nr. 6, 1931, S.109-111


Josef Cueni, «Röschenz: Das Steinhauerdorf», in Laufentaler Jahrbuch Nr. 1, 1986, S. 65-68
Alfred Frey, «Das älteste Grossgewerbe im Laufentale», in Für die Heimat. Jurablätter von der Aare bis zum Rhein Jg. 1, 1938/1939, S. 77-82


Gewerbeverband Laufental, Website (Stand: 28.02.2012): www.kmu-laufental.ch
Lorenz Häfliger, «Geschichte der Steinhauerei im Laufental. Mit Kalkstein zu Arbeit und Verdienst», in CH-Forschung Nr. 10, Jg. 16, 1999, S. 1-3
Daniel Hagmann, Zur Geschichte der Steinhauerei im Laufental, Laufentaler Museumsheft, Laufen 1993
Robert Kamber, «50. GV des Laufentaler Museumsvereins. Die Steinhauer-Ausstellung war der Höhepunkt im 1993» in Laufentaler Laufentaler Museumshefte Nr. 7, Laufen 1994, S. 10-12
Joseph Jermann, «Dittingen: Laufner Kalkstein für Manhattan», in Laufentaler Jahrbuch Nr. 6, 1991, S.40-45
Roger Jud, Reiseführer Laufental, Promotion Laufental (Hg.), Laufen 2009, S. 38
Christian Steiner, «Liesberg: Steinbruch Bohlberg», in Laufentaler Jahrbuch Nr. 10, 1995, S. 54-55