Berner Finanzaffäre
Die Folgen für das Laufental
Der Skandal liess das in der Volksabstimmung von 1983 unterlegene Probaselbieter Lager im Laufental sofort wieder aktiv werden, lag doch der Verdacht nahe, dass die Berner Regierung durch ihre ungesetzlichen Zahlungen an die ABL das Abstimmungsergebnis von damals erheblich beeinflussen konnte. Ausserdem verstiess die Regierung damit gegen eine Vereinbarung mit dem Kanton Basel-Landschaft, worin sich die beiden Kantone verpflichteten, keine Einflussnahme auf die Selbstbestimmung des Laufentals auszuüben (Absichtserklärung der Regierungsräte Bern und Basel-Landschaft vom 22./23. Juni 1982).
Durch die Partei «Demokratische Alternative Bern» erhielten Exponenten der Lauftenaler Bewegung LB und der Jungen Kraft Laufental JKL den BUK-Bericht bereits am 31. August 1985 zugespielt und konnten innert 3 Tagen nach Bekanntwerden der Sachlage reagieren. Sie reichten bei der Staatskanzlei Bern eine Beschwerde gegen die Gültigkeit des Abstimmungsresultats vom 11. September 1983 ein.
Die Beschwerde wurde vom Grossen Rat zunächst abgewiesen. Die LB liess sich jedoch nicht entmutigen und zog die Beschwerde schliesslich bis vor Bundesgericht weiter (zu den Details s. Artikel Laufental, Kantonswechsel). Dieses verfügte am 20. Dezember 1988, dass die Abstimmung vom 11. September 1983 zu wiederholen sei. In seiner Verfügung stellte das Bundesgericht tatsächlich eine erhebliche Einflussnahme durch die Berner Regierung fest.
Auch der am 16. März 1986 veröffentlichte Revisionsbericht der ABL erhärtete den Verdacht, dass der Einfluss Berns entscheidend gewesen sein könnte: Die unrechtmässigen Unterstützungsgelder machten rund 85 Prozent der gesamten Einnahmen der ABL vom 1. Juli 1979 bis zum 2. Oktober 1984 aus. Die ABL konnte damit ihren starken Propagandaauftritt finanzieren, der nach Einschätzung vieler Beteiligter aus beiden Lagern, Historikern und Beobachterinnen die Meinungsbildung massgeblich beeinflusst hatte.
Andererseits verschaffte die Berner Finanzaffäre den Probaselbietern den nötigen Aufschwung, um nach der verlorenen ersten Abstimmung weiter für einen Kantonswechsel zu kämpfen. Sie konnten durch sie mit einem konkreten Ziel und überzeugenden Argumenten auf eine Abstimmungswiederholung hinarbeiten. Nach eigener Einschätzung von Mitgliedern der Laufentaler Bewegung wäre eine weitere Abstimmung zum Kantonswechsel ohne Berner Finanzaffäre aussichtslos geblieben.
Im übrigen Jura
Auch im übrigen Jura hatte die Finanzaffäre ein Echo, wenn auch weniger weitreichende Folgen. Rudolf Hafners Hinweise auf die Zahlungen an die Force démocratique legten den Verdacht nahe, dass bei den Juraplebisziten ebenfalls heimlich Geld an Proberner Komitees geflossen sein könnte.
Die jurassische Regierung verlangte kurz nach Bekanntwerden des ersten Hafner-Berichts von der Berner Regierung, dass eine Neubeurteilung der Vermögensteilung bei der Kantonstrennung durchgeführt würde, so wie es im abschliessenden Protokoll der Tripartiten-Konferenz vom 19. April 1984 für den Fall des Auftauchens von neuen Fakten vorgesehen war. Ausserdem richtete sie bezüglich der Finanzaffäre eine Interpellation an die Berner Regierung. Diese verhielt sich jedoch ablehnend, sah keine Veranlassung für eine Neubeurteilung der Vermögensteilung und bezeichnete die Zahlungen an die berntreuen jurassischen Organisationen als nicht ungesetzlich.
1985 liess sich die jurassische Regierung den ersten BUK-Bericht offiziell aushändigen und richtete erneut ihre Anfragen an die Berner Regierung. Auch wurde die Forderung laut, dass Massnahmen zur genauen Aufklärung der geheimen Zahlungen an berntreue Kräfte bis zurück ins Jahr 1947 getroffen werden sollten. Das jurassische Kantonsparlament beauftragte die Regierung im November 1985 mit der vollständigen Aufklärung der Affäre, damit dem jurassischen Volk sowohl in politischer wie finanzieller Hinsicht Gerechtigkeit widerfahren könne. Die Regierung gelangte daraufhin an den Bundesrat und bat um dessen Intervention in der Angelegenheit. Dieser erklärte sich im Januar 1986 jedoch für nicht zuständig und reichte die Beschwerde ans Bundesgericht weiter.
Die jurassische Regierung akzeptierte den bundesrätlichen Bescheid nicht und beschwerte sich beim Bundesparlament.
Am 23. Januar 1986 setzte das jurassische Parlament eine Untersuchungskommission ein. Rudolf Hafner wurde nach Delsberg eingeladen, um Auskunft zu geben, durfte aber wegen einer weiterhin bestehenden Geheimhaltepflicht des Kantons Bern der Einladung keine Folge leisten.
Im Mai 1986 traf sich die jurassische Regierung mit der Bundesregierung und stellte ihr die vermuteten Auswirkungen der ungesetzlichen Berner Finanzmanöver auf die Juraplebiszite dar. Doch der Bundesrat erklärte sich erneut für nicht zuständig für die Frage, ob die Juraplebiszite im Berner Jura wiederholt werden müssen, und verwies erneut an das Bundesgericht. Eine weitere Beschwerde an das Bundesparlament bezüglich der Nichtzuständigkeitserklärung des Bundesrates wurde im September 1988 von beiden eidgenössischen Räten abgewiesen, ebenso die Neubeurteilung der Vermögensteilung.
Ab dem 11. Oktober 1988 beschäftigte sich das Bundesgericht mit der Beschwerde aus dem Kanton Jura. Diese forderte, 1. dass Untersuchungen angeordnet würden, um den ganzen Umfang der illegalen Zahlungen festzustellen, 2. die Volksabstimmungen in den Bezirken Courtelary, Moutier, La Neuveville und den Gemeinden Moutier Grandval, Perrefitte, Rebévelier, La Scheulte und Roggenburg zu annullieren und 3. gerechte Volksabstimmungen über die Kantonszugehörigkeit der Gemeinden durchzusetzen.
Das Bundesgericht erklärte sich 1990 für zuständig, wies die Klagen der jurassischen Regierung am 13. März 1991 aber zurück. Dies führte zu einem erneuten Treffen mit einer Delegation des Bundesrates und einem Rekurs, der jedoch in letzter Instanz am 13. Juni 1991 vom Bundesgericht abgelehnt wurde.
Es gab Vermutungen, wonach sich die sich die Höhe der Unterstützung für berntreue Kräfte im Jura in den Jahren 1975-1982 auf rund CHF 515'000.- oder sogar über CHF 1 Mio. beliefen (u.a. Hafner, S. 1988, S. 94; Schwander, S. 153).
Kiki Lutz, 3/12/2015
Bibliografie
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